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Das Jüdische Museum Wien zeigt die Befreiung von Wien in Bildern von Jewgeni Chaldej

Eine Ansicht der Ausstellung "Jewgeni Chaldej. Der Fotograf der Befreiung" im Jüdischen Museum Wien. (c) Barbara Nidetzky

Eine Ansicht der Ausstellung "Jewgeni Chaldej. Der Fotograf der Befreiung" im Jüdischen Museum Wien. (c) Barbara Nidetzky

Am 29. März 1945 erreichte die Rote Armee im Kampf gegen die deutsche Wehrmacht österreichisches Gebiet. Die Schlacht um Wien endete nach schweren Kämpfen am 13. April 1945. Beide Seiten verzeichneten hohe Verluste. Noch in den letzten Stunden des Kriegs ermordete die SS Jüdinnen und Juden in Wien. Mit den sowjetischen Truppen kam auch der jüdische Fotograf Jewgenij Chaldej (1917–1997) nach Wien. Er schoss einzigartige Fotos von Straßenkämpfen, Bombenruinen und bald auch vom zivilen Leben. Hunger, Wohnungsnot, aber auch die Hoffnung auf einen Neubeginn kennzeichneten den Frühling 1945. Chaldejs Fotos zeigen Wiener Wahrzeichen wie den Stephansdom, das Parlament, den Heldenplatz, das Schloss Belvedere oder das Grabmal von Johann Strauss auf dem Zentralfriedhof, immer mit sowjetischen Soldaten im Bild. Chaldejs Kollegin Olga Lander (1909−1996), die einige Wochen später in Wien eintraf, hielt offizielle Ereignisse fotografisch fest. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste Chaldej erfahren, dass seine gesamte Familie von den Nationalsozialisten ermordet worden war. Seine Mutter wurde bei einem Pogrom getötet, als Chaldej erst ein Jahr alt war. Jewgeni Chaldej wie auch die jüdische Fotografin Olga Lander, hinterließen mit ihren Bildern eindrucksvolle Zeitzeugnisse, die wesentliche Tage in der Geschichte Wiens dokumentieren.

Hofburg, 1945 (c) Sammlung Erich Klein, Foto: Jewgeni Chaldej 

Fotografieren, was es auch wert war zu fotografieren

Jewgenij Ananjewitsch Chaldej wurde 1917, im Jahr der Oktoberrevolution, in der heutigen Ukraine geboren. Seine Mutter wurde bei einem Pogrom ermordet, als Chaldej erst ein Jahr alt war. Mit zwölf Jahren begann er, sich mit Fotografie zu beschäftigen, und baute aus der Brille der Großmutter und anderen Hilfsmitteln eine Kamera. Seine Laufbahn startete in einer Stahlfabrik, wo er die sogenannten Bestarbeiter fotografieren sollte. In 1930er-Jahren reiste er durch das Land, wurde Zeuge der Hungersnot durch die Zwangskollektivierung der Bauern, doch seine Bilder zeigen den sozialistischen Aufbau. Für die TASS begleitete er vier Jahre lang als Kriegsfotograf die Rote Armee. Seine jüdische Herkunft war hier eine Triebfeder, das belegt beispielsweise jene Episode, als er in Budapest ein jüdisches Paar im Ghetto fotografierte und ihnen dann den Judenstern entfernte mit den Worten, er sei auch Jude. Später erfuhr er, dass sein Vater und seine Schwestern von den Nationalsozialisten ermordet worden waren. Die Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg begleitete er fotografisch und lernte dort auch den ungarisch-amerikanischen Fotografen Robert Capa kennen, der ihm eine Kamera schenkte. 1948 wurde Chaldej von der Agentur TASS entlassen. Offiziell wegen mangelnder Professionalität, nach eigener Aussage wegen seiner jüdischen Abstammung. Jahre später wurde Chaldej rehabilitiert und arbeitete wieder für sowjetische Medien wie die Prawda. Sein berühmtes Bild von der Befreiung Berlins 1945, das einen Soldaten der Roten Armee zeigt, der auf dem zerstörten Reichstagsgebäude die sowjetische Flagge hisst, hat einen „Schönheitsfehler“. Chaldej selbst erzählte, dass der Soldat auf dem Originalfoto zwei Uhren am Handgelenk trug. Für die Veröffentlichung wurde dieses Detail wegretuschiert. Er habe immer nur fotografiert, was auch wert war, fotografiert zu werden, war Chaldejs Credo. Er starb 1997 in Moskau.

Ring, 1945 (c) Sammlung Erich Klein, Foto: Jewgeni Chaldej 
(c) Sammlung Erich Klein, Foto: Jewgeni Chaldej 
Palais Epstein, 1945 (c) Sammlung Erich Klein, Foto: Jewgeni Chaldej 

„Jewgenij Chaldej. Der Fotograf der Befreiung“ ist von 12. Mai bis 1. November 2021 im Museum Judenplatz (Jüdisches Museum Wien) zu sehen. Zu der von Marcus G. Patka kuratierten und von Fuhrer, Wien gestalteten Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog zum Preis von 19,90 Euro im Eigenverlag des Museums mit zahlreichen Abbildungen.

Öffnungszeiten:
Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien:
So–Do 10–18 Uhr und Fr 10–14 Uhr (Winterzeit) bzw. 17 Uhr (Sommerzeit)
Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11, 1010 Wien:
So–Fr 10–18 Uhr. 
Weitere Informationen unter www.jmw.at.