Lucia Bartl ist Fotografin und Filmemacherin (c) Lucia Bartl
Seit über 20 Jahren zeichnet der renommierte Nachwuchspreis „Gute Aussichten“ jährlich Absolventinnen deutscher Hochschulen im Bereich Fotografie aus. Eine hochkarätig besetzte Jury wählt die besten Arbeiten aus.
In diesem Jahr präsentiert das Haus der Fotografie in Hamburg gleich zwei Jahrgänge: Mit insgesamt 13 Positionen eröffnet die Ausstellung ein breites thematisches Spektrum und zeigt, wie junge Künstlerinnen durch neue Techniken und Medien das Medium Fotografie dynamisch erweitern und damit neue Horizonte erschließen.
Im Folgenden möchte ich meine persönliche Auswahl von Arbeiten vorstellen, die mich besonders berührt und zum Nachdenken angeregt haben.
Maya Vieth erzählt in ihrer Serie „Während wir schlafen ziehen die Wölfe um die Häuser“ die Geschichte des ostbrandenburgischen Dorfes, in dem sie aufgewachsen ist. Geblitzte Nachtaufnahmen und pixelige Überwachungskamera-Bilder, kombiniert mit Interviews und Dorflegenden, erzeugen eine unheimliche Atmosphäre, die uns mitten in die Isolation der Dorfgemeinschaft führt. Der Wolf erscheint dabei zugleich als Bedrohungsszenario und als Spiegelbild einer Gesellschaft, die sich abgehängt fühlt. Während Überwachungskameras nach äußerer Gefahr suchen, offenbaren sie in Vieths Arbeit die innere Krise – den Verlust von Identität und Zugehörigkeit.
Maya Vieth: „Während wir schlafen, ziehen Wölfe um die Häuser“, 2023 Foto: Maya Vieth
Larissa Zauners Projekt „Schützinnen“setzt sich aus feministischer Perspektive mit der Tradition Tiroler Schützenvereine auseinander. Der militärisch organisierte Bund der Tiroler Schützenkompanien (BTSK) prägt seit 500 Jahren die Landesidentität und steht für den rebellischen Geist Tirols – spätestens seit dem Freiheitskampf des Nationalhelden Andreas Hofer. Frauen jedoch sind in dieser Institution bis heute marginalisiert: Auf den Aufmärschen zu Schnapsflaschenträgerinnen reduziert, dienen sie als folkloristische Staffage, während ihnen Tracht und Waffe verwehrt bleiben, obwohl sie historisch nachweislich an Aufständen beteiligt waren.
Zauner rückt dieses Ungleichgewicht ins Zentrum ihrer Arbeit. Sie entwirft eine historische Postkarte mit vier selbstbewussten Schützinnen in Kniestrümpfen, Wams und Hut und schlägt die Gründung einer eigenen Schützinnenkompanie vor – als aktivistische Geste gegen die überholte Reduzierung von Frauen auf Fürsorge und Dekoration. Humorvoll und multimedial inszeniert, eröffnet ihr Projekt einen frischen, kritischen Blick auf tief verwurzelte österreichische Traditionen.
Auch das Thema Künstliche Intelligenz findet in der Ausstellung seinen Platz.
Robin C. Wolf nähert sich ihm auf eine überraschend menschliche Weise. In seiner Serie „Prompt: me“ versteht er den Titel wörtlich: Statt KI-Programme mit Befehlen zu füttern, greift er auf seine eigene „Datenbank“ zurück – Ideen, Erinnerungen und Erfahrungen. Mit Humor übersetzt er diese in Fotografien, Skulpturen und Installationen. So zeigt er nicht nur die Stärke menschlicher Intelligenz im Vergleich zur Maschine, sondern führt zugleich gesellschaftliche Erwartungen ad absurdum. Seine facettenreiche Bildwelt macht die unerschöpfliche Kreativität des menschlichen Geistes sichtbar.
Diese Auswahl steht exemplarisch für eine neue Generation von Künstler und Künstlerinnen, die Fotografie auf vielfältige Weise nutzen und erweitern. Ihre Arbeiten sind engagiert, kritisch und aktivistisch. Die Grenzen zwischen Fotografie und anderen Medien verschwimmen, während das rein dekorative Moment in den Hintergrund rückt.
„Gute Aussichten“ stellt Fragen an unsere Zeit und eröffnet viele Antworten.
Bis 9. 11. im PHOXXI, Haus der Fotografie, Hamburg.
Seit über 20 Jahren zeichnet der renommierte Nachwuchspreis „Gute Aussichten“ jährlich Absolventinnen deutscher Hochschulen im Bereich Fotografie aus. Eine hochkarätig besetzte Jury wählt die besten Arbeiten aus.
In diesem Jahr präsentiert das Haus der Fotografie in Hamburg gleich zwei Jahrgänge: Mit insgesamt 13 Positionen eröffnet die Ausstellung ein breites thematisches Spektrum und zeigt, wie junge Künstlerinnen durch neue Techniken und Medien das Medium Fotografie dynamisch erweitern und damit neue Horizonte erschließen.
Im Folgenden möchte ich meine persönliche Auswahl von Arbeiten vorstellen, die mich besonders berührt und zum Nachdenken angeregt haben.
Maya Vieth erzählt in ihrer Serie „Während wir schlafen ziehen die Wölfe um die Häuser“ die Geschichte des ostbrandenburgischen Dorfes, in dem sie aufgewachsen ist. Geblitzte Nachtaufnahmen und pixelige Überwachungskamera-Bilder, kombiniert mit Interviews und Dorflegenden, erzeugen eine unheimliche Atmosphäre, die uns mitten in die Isolation der Dorfgemeinschaft führt. Der Wolf erscheint dabei zugleich als Bedrohungsszenario und als Spiegelbild einer Gesellschaft, die sich abgehängt fühlt. Während Überwachungskameras nach äußerer Gefahr suchen, offenbaren sie in Vieths Arbeit die innere Krise – den Verlust von Identität und Zugehörigkeit.
Larissa Zauners Projekt „Schützinnen“setzt sich aus feministischer Perspektive mit der Tradition Tiroler Schützenvereine auseinander. Der militärisch organisierte Bund der Tiroler Schützenkompanien (BTSK) prägt seit 500 Jahren die Landesidentität und steht für den rebellischen Geist Tirols – spätestens seit dem Freiheitskampf des Nationalhelden Andreas Hofer. Frauen jedoch sind in dieser Institution bis heute marginalisiert: Auf den Aufmärschen zu Schnapsflaschenträgerinnen reduziert, dienen sie als folkloristische Staffage, während ihnen Tracht und Waffe verwehrt bleiben, obwohl sie historisch nachweislich an Aufständen beteiligt waren.
Zauner rückt dieses Ungleichgewicht ins Zentrum ihrer Arbeit. Sie entwirft eine historische Postkarte mit vier selbstbewussten Schützinnen in Kniestrümpfen, Wams und Hut und schlägt die Gründung einer eigenen Schützinnenkompanie vor – als aktivistische Geste gegen die überholte Reduzierung von Frauen auf Fürsorge und Dekoration. Humorvoll und multimedial inszeniert, eröffnet ihr Projekt einen frischen, kritischen Blick auf tief verwurzelte österreichische Traditionen.
Auch das Thema Künstliche Intelligenz findet in der Ausstellung seinen Platz.
Robin C. Wolf nähert sich ihm auf eine überraschend menschliche Weise. In seiner Serie „Prompt: me“ versteht er den Titel wörtlich: Statt KI-Programme mit Befehlen zu füttern, greift er auf seine eigene „Datenbank“ zurück – Ideen, Erinnerungen und Erfahrungen. Mit Humor übersetzt er diese in Fotografien, Skulpturen und Installationen. So zeigt er nicht nur die Stärke menschlicher Intelligenz im Vergleich zur Maschine, sondern führt zugleich gesellschaftliche Erwartungen ad absurdum. Seine facettenreiche Bildwelt macht die unerschöpfliche Kreativität des menschlichen Geistes sichtbar.
Diese Auswahl steht exemplarisch für eine neue Generation von Künstler und Künstlerinnen, die Fotografie auf vielfältige Weise nutzen und erweitern. Ihre Arbeiten sind engagiert, kritisch und aktivistisch. Die Grenzen zwischen Fotografie und anderen Medien verschwimmen, während das rein dekorative Moment in den Hintergrund rückt.
„Gute Aussichten“ stellt Fragen an unsere Zeit und eröffnet viele Antworten.
Bis 9. 11. im PHOXXI, Haus der Fotografie, Hamburg.
Teilen mit: