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Ein fotografischer Dialog: Barbara Klemm und Lena Mucha in der Leica Galerie Wien

Bruderkuss Leonid Breschnew und Erich Honecker, 30. Jahrestag der DDR, Ost-Berlin, 1979 Foto: Barbara Klemm

Bruderkuss Leonid Breschnew und Erich Honecker, 30. Jahrestag der DDR, Ost-Berlin, 1979 Foto: Barbara Klemm

Im Lauf des Jahres waren in Leica Galerien rund um den Globus Dialog-Ausstellungen zu sehen, die jeweils einen bekannten Namen der Fotografie-Szene aus der Leica Hall of Fame mit einem aufstrebenden Talent in Verbindung brachten. Zu den Stars des großangelegten Projekts zählten unter anderem Bruce Davidson, Steve McCurry und Joel Meyerowitz.

Die Wiener Ausstellung zeigt nun einerseits Werke von Barbara Klemm, die als Wegbereiterin der weiblichen Pressefotografie gilt. Ihr gegenüber wird das eigenständig konzipierte Projekt „Pioneers“ der Berliner Fotografin Lena Mucha gestellt, das zwei junge jesidische Frauen in ihrem diasporischen Alltag in Deutschland begleitete. Thematisch widmet sich die Ausstellung der Bedeutung der Fotografie für die Dokumentation von Zeitgeschehen und ihrem (meist männerdominierten) Einfluss auf kollektive Wahrnehmung und kollektives Gedächtnis.

Die Künstlerinnen – sensibler Blick trifft auf Aktivismus und Traumabewältigung

Wie kaum eine andere deutsche Fotografin hat Barbara Klemm (geb. 1939) das politische Geschehen der jüngeren Vergangenheit mit der Kamera begleitet. Über drei Jahrzehnte war sie feste Redaktionsfotografin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und dokumentierte zahllose Ereignisse und Personen der deutschen sowie internationalen Politik und Kultur. Ohne Sensationsgier, dafür aber mit einem Gespür für das Wesentliche und Respekt vor ihren menschlichen Motiven.

In gleichem Maße ist es Lena Mucha (geb. 1983) gelungen, das Vertrauen ihrer Protagonistinnen, die sie über den Zeitraum von eineinhalb Jahren begleitete, zu gewinnen und ihre persönlichen Geschichten zu dokumentieren. Politischer Aktivismus und Traumabewältigung sind dabei jene Themen, die es für Mucha in eine visuelle Sprache zu übersetzen galt.

Wegbereitung und Vorbildwirkung

„In der Produktion eines Pressefotos materialisiert sich eine zeitgeschichtliche Situation. Bilder vom Zeitgeschehen prägen unser Bewusstsein von Wirklichkeit, gerade deshalb sind nuancierte Perspektiven wichtig. Auch heute noch sind in der männerdominierten Welt der Pressefotografie weibliche Sichtweisen rar und viele Stimmen unterrepräsentiert“, sagt Laura Ettel, die Managerin der Leica Galerie Wien. In Zusammenhang mit diesen weiblichen Sichtweisen stünden auch die wichtigen Rollenvorbilder für junge Talente in der Kunst und der Fotografie. Die neue Ausstellung mache deutlich, auf welche Weise Fotografinnen wie Barbara Klemm den Weg für nachfolgende Generationen bereitet haben.

„Barbara Klemms ikonische Fotografien prägten nicht nur das kulturelle und politische Gedächtnis ihrer Zeit, sondern hatten dank ihrer fesselnden Bildsprache und ihrem präzisen Blick für das Wesentliche auch maßgeblichen Einfluss auf unzählige junge Pressefotografinnen“, so Ettel. „Gleichzeitig steht ihre Arbeit für eine Haltung in der Fotografie, die nicht auf Spektakel abzielt, sondern den Mensch und sein Empfinden in den Fokus rückt. Einen gleichsam emphatischen Bildzugang sehe ich in Lena Muchas Arbeiten.“

Das Wechselspiel zwischen den Werken von Lena Mucha und Barbara Klemm ist von 5. Dezember 2025 bis 7. Februar 2026 in der Leica Galerie Wien, Seilergasse 14, 1010 Wien, zu sehen. Montag–Samstag, 10:00 Uhr – 18:00 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Über Barbara Klemm 

Barbara Klemm ist eine präzise Chronistin der Zeit. Ihre Aufnahmen sind eine Dokumentation wesentlicher Momente, die unser fotografisches Gedächtnis geprägt haben. Seit 1959 war die Fotografin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung tätig, von 1970 bis Ende 2004 als fest angestellte Redaktionsfotografin mit den Schwerpunkten Politik und Feuilleton. Ob Studentenrevolte, Kalter Krieg und Mauerfall oder die Ära Kohl und das moderne Deutschland – Barbara Klemm machte das entsprechende Bild dazu. Darüber hinaus war sie in der ganzen Welt unterwegs und hat mit ihren Reisefotografien das Leben und den Alltag der Menschen in sensiblen Aufnahmen festgehalten. Barbara Klemm hat etliche Auszeichnungen erhalten, so zum Beispiel im Jahr 1989 den Erich Salomon-Preis für engagierten Bildjournalismus der Deutschen Gesellschaft für Fotografie und 2012 den Leica Hall of Fame Award für ihr Lebenswerk.

Friederike Mayröcker in ihrem Arbeitszimmer. Foto: Barbara Klemm

Über Lena Mucha 

Lena Mucha ist freiberufliche Fotografin in Berlin. 2011 machte sie in Köln ihren Masterabschluss in Politikwissenschaften und Sozialanthropologie. Ihre Fotoreportagen brachten ihr unter anderem das „Reporters in the Field“-Stipendium ein. 2016 war sie Stipendiatin für Magnum-Workshops mit Patrick Zachmann und David Alan Harvey. Ihre Arbeiten erschienen u. a. in National Geographic, GEO und British Journal of Photography. In ihrer Arbeit fokussiert sie soziopolitische Themen und die Arbeit mit minorisierten Gruppen. Als Fotografin ist sie im Auftrag von The New York Times, Washington Post, CNN, Wall Street Journal, Der Spiegel, ZEIT, Ärzte ohne Grenzen, Caritas Int. u.a. unterwegs.

31. Juli 2024, Berlin: Jihan Alomar spricht auf einer Kundgebung in Erinnerung an den Genozid an den Jesiden vor zehn Jahren vor dem Bundestag. Foto: Lena Mucha