Aktuell Allgemein Bücher

Die Sony World Photography Awards 2020 ehren Gerhard Steidl

Ed Ruscha. On the Road, 2009

(c) Ed Ruscha. On the Road, 2009

Die World Photography Organisation hat heute den deutschen Buchdrucker und Verleger Gerhard Steidl als Empfänger des diesjährigen Awards für „Herausragende Leistungen für die Fotografie“ im Rahmen der Sony World Photography Awards 2020 bekannt gegeben. Steidl wird am 16. April bei der Preisverleihung in London für seine Arbeit mit Fotografen und die maßgebliche Bedeutung seiner Fotobücher geehrt.

Der 1968 von Gerhard Steidl gegründete Verlag startete 1996 ein eigenes Fotobuchprogramm und baute dieses innerhalb weniger Jahre zu dem aus, was es heute ist: das weltweit größte Verzeichnis an zeitgenössischer Fotografie. Dieser bemerkenswerte Fotobuch-Katalog beinhaltet viele der renommiertesten zeitgenössischen Fotografen und Künstler, darunter unter anderem Joel Sternfeld, Nan Goldin, Bruce Davidson, Robert Frank, Berenice Abbott, Robert Adams, Henri Cartier-Bresson, Karl Lagerfeld und Juergen Teller. Steidls Publikationen umfassen die gesamte Geschichte der Fotografie, von den frühen Meistern bis hin zu den führenden Fotografen der Gegenwart. Zudem repräsentieren sie das vielfältige Spektrum fotografischer Ausdrucksformen – von der Kunst- und Modefotografie bis hin zur Dokumentar- und Straßenfotografie.

Der deutsche Verleger Gerhard Steidl wird von der Sony World Photography Organisation mit einem Preis für „Herausragende Leistungen für Fotografie”ausgezeichnet. (c) Markus Jens

Herausragende Publikationen von Steidl Steidl werden in London ausgestellt 

Rund 80 der meistgefeierten Publikationen von Gerhard Steidl werden im Rahmen der Ausstellung der Sony World Photography Awards 2020 im berühmten Somerset House in London zu sehen sein. Darüber hinaus erhalten Besucher Einblicke in den Prozess der Buchherstellung. Im Vordergrund der Ausstellung mit dem Titel „One Love, One Book: Steidl Book Culture. The Photobook as Multiple“ steht das Fotobuch als traditionelle Ausdrucksform von künsterischer Vielfalt. Es präsentiert Objekte, die von einem Künstler angefertigt oder bei ihm in Auftrag gegeben und der breiten Öffentlichkeit zu einem erschwinglichen Preis zugänglich gemacht werden. Ein weiteres Highlight stellt die Veranstaltung „Ask Steidl Any Dumb Question About Making a Book“ in Zusammenarbeit mit Autor und Kurator David Campany dar, bei der Besucher zu einer Fragerunde mit dem Verleger eingeladen werden.

In Weiterentwicklung seiner Idee des Fotobuches als demokratisches Kunstobjekt sieht Gerhard Steidl die Ausstellung als Instrument, um seine Vision und sein Fachwissen an andere weiterzugeben und sie so zu inspirieren. Der Ausstellungsraum wird als visuelle Werkstatt zu sehen sein, die in vier Bereiche unterteilt ist: Künstler, Konzept, Design und Druck. Jedes ausgestellte Objekt wird mit einem ausführlichen Kommentar versehen sein und Besuchern Einblicke in Steidls Buchkultur und die schrittweise Heranführung an seine Buchmacherkunst zeigen: von der ersten Korrespondenz mit dem Künstler und den redaktionellen Überlegungen bis hin zu Beispielen verschiedener technischer Elemente wie Schriften, Papier und Einbandmaterialien.

(c) Ingrid Sischy (ed.). Andy Warhol_s Interview. The Crystal Ball of Pop Culture, 2004

Auch zu sehen: „The Japanese Box“

Zu den Höhepunkten der Ausstellung gehört „The Japanese Box“ (2001) aus der Steidl Edition 7L: eine schwarz lackierte Sammlerbox, die in Kooperation mit Karl Lagerfeld entstand und Faksimile-Reprints von sechs seltenen Fotopublikationen aus Japans einflussreicher Provoke-Epoche enthält. Als weiteres Werk der Edition 7L wird Andy Warhols „Interview: The Crystal Ball of Pop Culture“ (2004) zu sehen sein. Dabei handelt es sich um ein siebenbändiges Faksimile der besten Beiträge aus dem ersten Jahrzehnt von Warhols berühmter Zeitschrift „Interview“, verpackt in einem maßgefertigten Holz-Trolley.

„The Japanese Box, 2001“ wird eines der Highlights im Somerset House in London sein. (c) Christoph Schifferli (ed.). The Japanese Box, 2001

Neben bekannten Publikationen zeigt Steidl auch Fotografien ausgewählter Künstler, zu denen er langjährige Beziehungen pflegt. Dazu gehören auch gänzlich neue Aufnahmen aus dem demnächst zu erwartenden Fotoband „Orange“ (2020) des Nobelpreisträgers Orhan Pamuk. Das Buch enthält Fotos von Istanbuls scheinbar verwahrlosten Hinterhöfen und Gassen im warmen, orangefarbenen Dunst alter Straßenlaternen – Impressionen, die zugunsten von moderner weißer Straßenbeleuchtung zunehmend aus der Stadt verschwinden. Zu sehen sind auch Fotografien aus Dayanita Singhs „Museum Bhavan“ (2017), einer Wanderausstellung, bei der Drucke in falt- und erweiterbare Holzkonstruktionen eingepasst und nach Belieben der Künstlerin ausgetauscht werden können. Eine Miniaturversion dieser Ausstellung, bestehend aus neun einzelnen „Museen“, die Betrachter in ihren eigenen vier Wänden nach Belieben aufstellen können, wurde von Steidl in Buchform produziert.

(c) Dayanita Singh. Museum Bhavan, 2017

Neben den Büchern von Singh und Pamuk werden auch Fotos aus dem Buch „Vanished Spain“ (2016) des spanischen Filmemachers Carlos Saura zu sehen sein, die in den 1950er-Jahren während Sauras Reise durch Andalusien und Zentralspanien entstanden. Diese beeindruckende Sammlung von Fotos mit Landschaften, Stierkämpfen und Alltagsszenen sollte ein Gegengewicht zu den Propagandabildern des Franco-Regimes schaffen und das wahre Spanien zeigen. Ebenfalls ausgestellt werden original Silbergelatine-Prints aus Ed Ruschas „On the Road“ (2009), einer künstlerischen Ausgabe von Jack Kerouacs Romanklassiker. Der Text wird von Schwarzweißfotos begleitet, die Ruscha entweder selbst aufgenommen, bei anderen Fotografen in Auftrag gegeben oder aus vorhandenen Bildern ausgewählt hat und die engen Bezug zu den Details und Eindrücken des Autors beschreiben.

Das Buch „Vanishes Spain“ (c) Carlos Saura. Vanishesd Spain, 2016

Zu seiner Auszeichnung sagt Gerhard Steidl: „Den Award für „Herausragende Leistungen für Fotografie 2020“zu erhalten, ist eine große Ehre für mich. Als Drucker und Verleger schätze ich Fotobücher vor allem wegen ihrer Funktion als demokratisches Medium, denn durch sie wird Fotografie einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Angesichts dessen freue ich mich besonders auf die Ausstellung „One Love, One Book: Steidl Book Culture. The Photobook as Multiple“im Somerset House. Sie zeigt einige unserer ambitioniertesten Bücher, gibt ein paar Geheimnisse der Buchherstellung preis und inspiriert damit hoffentlich die nächste Generation an Buchmachern.”