Fotozubehör Praxis Tipps Wissen

Vom Smartphone bis nach Hollywood

Gimbals für DSLR- und Filmkameras sind je nach Verwendungszweck designed. Unter anderem gibt es modulare Systeme, wie den DJI Ronin RSC 2, der sich mit großen Steadycams kombinieren lässt. (c) DJI

Gimbals für DSLR- und Filmkameras sind je nach Verwendungszweck designed. Unter anderem gibt es modulare Systeme, wie den DJI Ronin RSC 2, der sich mit großen Steadycams kombinieren lässt. (c) DJI

Der „Camera-Shake“ kann ein gewolltes Stilmittel sein, doch meist will man ruhige und flüssige Videoaufnahmen. Unser ganzer Körper ist ein dynamisches und labil gelagertes System, wodurch Erschütterungen des Kopfes minimiert werden. Erschütterungen, die unser Skelett nicht mehr abfedern kann, werden großteils durch die bewegliche Lagerung unserer Augen ausgeglichen. Das alles entspricht unterschiedlich-sten mechanischen Stabilisatoren in der Kameratechnologie. Den Rest übernimmt unser Gehirn, ein biologischer „Bildstabilisator“.

Wir sind mit Qualität verwöhnt, unser Gehirn kann ein wackeliges Bild nicht mehr korrekt verarbeiten und es missfällt uns. Um auf dieselbe Stabilisierungsqualität wie im menschlichen Körper zu gelangen, muss daher die Videokamera ebenso gut gefedert und balanciert sein, wie unser eigener Sehsinn. Um das zu bewerkstelligen, gibt es zwei unterschiedliche Systeme, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben.

Gimbal versus Steadycam

Gimbals sind mehrachsige elektronische Systeme, die mittels Sensoren die Ausrichtung der einzelnen Achsen und der Kamera ermitteln. Über ein Interface lässt sich das System kalibrieren, aktivieren, einstellen und verändern. Je kleiner die montierte Kamera ist, desto leichter fällt die technische Umsetzung eines Gimbals. Angefangen bei kleinsten, fix verbauten Actioncams geht das Größenspektrum bis hin zu Systemen, die auch DSLR-Kameras und kleinere Rigs tragen können. Wichtig ist hier eine gute Kalibrierung und ein Auge, das auf den Akku gerichtet ist. Besonders gut geeignet sind Gimbals in Verwendung mit Smartphones.

Im Gegensatz zu den Gimbals stehen die Steadycams, auch Schwebestative genannt. Eine mechanisch basierte Technologie, die theoretisch auch völlig stromfrei funktioniert. Eine Kalibrierung ist wesentlich aufwendiger, weil sie manuell durchgeführt werden muss. Die Position der Kamera auf dem Tragegestell, die Länge des Kragarmes und die Schwere des Gegengewichts sind sich gegenseitig stark beeinflussende Faktoren. Dafür erreichen Steadycams eine deutlich höhere Traglast, das bei den besonders großen System letztlich von der Kraft des Kameramanns, beziehungsweise der Kamerafrau, begrenzt ist. Dank der teils mehreren Meter langen Kragarmen sind extrem schnelle Kameraschwenks von einigen Metern Höhenunterschied komplett verwacklungsfrei möglich. Aufgrund der Komplexität sind Steadycams für besonders kleine Aufnahmegeräte nicht sinnvoll.

Während ein Gimbal programmierbare Pfade verfolgen und somit die Kamera verwacklungsfrei drehen kann, zielt eine Steadycam darauf ab, die Kamera in jeder Situation absolut gerade zu halten.

Gimbals

Diese Systeme sind in unterschiedlichsten Größen und optimiert für den jeweiligen Gebrauch erhältlich. Gimbals haben stets elektronische Bedienelemente, mit denen sich die Kamera fernsteuern lässt. Immerhin muss die Sensor-Motorik-Kombination des Stabilisators vom Bediener darüber in Kenntniss gesetzt werden, wohin er die Kamera gerichtet haben möchte. Hier eine vereinfachte Übersicht:

Gimbals mit integrierter Kamera: Dies ist die kleinste Variante, um geschmeidige Videos aufzunehmen. Die minimal nötige Stabilisierung in drei Achsen ist logischerweise gegeben. Ähnlich wie Kompaktkameras handelt es sich dabei um ein fertig zusammengestelltes System, auch der Sensor ist von der Größe her vergleichbar, jedoch liefern diese Kameras bereits 4K-Auflösung, ob nativ oder interpoliert wäre allerdings zu testen. Wer nicht allzu viel mehr machen möchte, als hie und da ein kleines und kurzes Video zu drehen, für den mag das gute Stück sehr interessant sein. Mit dazu verfügbaren Apps geht auch der Datentransfer beziehungsweise ein schneller Video-schnitt ganz einfach von der Hand.

Gimbals für Action-Kameras: Wer beim Sport oder anderen passenden Gelegenheiten auf den Gebrauch von Actioncams schwört, für den kann ein für das jeweilige System perfekt zugeschnittener Gimbal von Interesse sein. Solche Gimbals sind minimal größer, aber immer noch sehr handlich.

Gimbals für Smartphones: Gerade das Angebot an Smartphonegimbals ist enorm. Hier gibt es auch bereits nennenswerte Preisunterschiede. Häufige Preisfaktoren sind vor allem spezielle Aufnahmefunktionen, eine dazugehörige Smartphone-App, die Bedienung an sich oder die Akkureichweite. Es gibt hier tatsächlich sehr viele, sehr annehmbare Produkte– insbesondere im Elektro- und Fotofachhandel wird man eher selten Modelle finden, die keine brauchbare Leistung liefern.

Gimbals für DSLR & DSLM: Auch für Fotokameras in sämtlichen Größen sind elektronische Stabilisatoren verfügbar. Das Design ist jedoch je nach Verwendungszweck sehr unterschiedlich, weil sie häufig auch im professionellen Bereich eingesetzt werden.

Klassisch ist eine Haltestange im Stile eines Joysticks, versehen mit allen nötigen Tasten und teilweise auch mit einem Display.

Oft mehr Kontrolle in schnellen und actionreichen Situationen hat man mit zwei zusätzlichen kurzen Haltestangen, die seitlich an den Basisgriff des Gimbals montiert werden können.

Für extreme Freiheit und schwere Setups gibt es abgehängte Systeme, die oft in einen großen Haltering integriert sind. Für noch weichere Aufnahmen lassen sie sich auch zusätzlich mit Steadycams kombinieren.

Es gibt verschiedenste Technologien, um Videos aufzunehmen. Das erfordert allerdings auch eine Anpassung der Technologie im Bereich der Bildstabilisierung. Elektronische Gimbals sind nicht nur wie hier der DJI OM4 für Smartphones, sondern auch in anderen Größen bis zur professionellen Video- beziehungsweise Fotokamera möglich. (c) DJI

Worauf ist bei Gimbals zu achten?

Je nach gewünschter Anwendung ergeben sich natürlich unterschiedliche Fragen. Worauf man jedoch immer achten kann:

Gibt es eine App?

Viele zusätzliche Funktionen, wie Datenübertragung, Videoschnitt etc. können auf das Smartphone ausgelagert werden, um die Arbeit zu erleichtern und sogar das Funktionsspektrum zu erweitern.

Wie sieht die Stromversorgung aus?

Ein Gimbal funktioniert nur, solange er Strom hat. Gibt es einen austauschbaren Akku? Oder muss man das gesamte Geräte anstecken? Wie lange kann man mit einer Ladung arbeiten?

Wie genau arbeitet der Gimbal?

Günstigere Gimbals sind eventuell schwerer zu kalibrieren oder sind fehleranfälliger. Auch die Bedienung während der Aufnahme fällt in diesen Bereich: Ist die Steuerkonsole leicht zu bedienen und reagiert das Gerät auch schnell genug?

Wie sieht es mit der Ergonomie aus?

Nicht jede Hand ist gleich groß und nicht jeder fühlt sich in einem System auch zu Hause. Besonders wichtig sind die Erreichbarkeit des Aufnahmeknopfes und der Bewegungskontrollen.

Wie groß ist der Funktionsumfang?

Nicht nur die Bedienungsmöglichkeiten sind interessant. Ist das System erweiterbar, gibt es Steckplätze für Licht, ein weiteres Handy, Mikrofon oder anders Equipment?

Welche Bedienmodi gibt es?

Können einzelne Achsen fixiert werden? Kann man die Kamera schwenken und ist die Geschwindigkeit variabel? Kann man vielleicht sogar Bewegungen im voraus programmieren oder andere Effekte nutzen?

Wie hoch ist die maximale Traglast?

Ist das montierte Equipment zu schwer, können Elektromotoren überlastet werden, ein defekter Gimbal kann die Folge sein.

Steadycams/Schwebestative

Das Prinzip ist rein mechanisch und funktioniert über die Balance am Schwerpunkt des Gesamtsystems.Auch wenn kein Strom benötigt wird, sind dennoch viele der Geräte mit Elektronik ausgestattet, um zwischen unterschiedlichen angeschlossenen Elementen zu vermitteln (beispielsweise ein Kontrollmonitor eines Kameramanns bei Liveübertragungen oder Filmdrehs). Auch gibt es Varianten, bei denen der Kopf des Geräts via Fernbedienung bewegt werden kann.

Eine völlig andere Technologie ist die der mechanischen Steadycams. Es gibt sie auch für kleine DSLRs, aber ihre volle Effizienz erreichen sie bei großen Kameras und schweren Rigs. Im Bild zu sehen der Endless 3 Blackbee von Basson Steady.
(c) Basson Steady

Fixe Stabilisatoren: Wer für seinen Vlog von Zeit zu Zeit einmal etwas aus der Hand filmt, kann um wenig Geld (rund 30 Euro) einen solchen Stabilisator verwenden. Das Prinzip: An einem C-förmigen Griff, der am oberen Ende angefasst wird, wird die Kamera an dessen unterem Ende befestigt. Die „Stabilisierung“ entsteht nur durch das Zwischenschalten eines weiteren Gelenks zwischen Kamera und Hand. Der Effekt wirkt besonders im Gehen, wenn man sonst mit der Kamera keine weiteren Spielereien plant. Ein Nachteil ist, dass bei einer Kameraposition in Bodennähe die beste Stabilisierung erreicht wird.

Mini-Steadycams: Auf einem kleinen Griff ist über ein Gelenk ein Metallband in C-Form befestigt, das sich wie der Handschutz eines Säbels über die Hand nach unten biegt. Direkt oberhalb der Hand ist die Kamera vorgesehen, am unteren Ende ist ein Gegengewicht. Mit diesen Halbbogen-Schwebestativen ist bereits auch bei schnelleren Bewegungen eine bessere Stabilisierung zu sehen.

Einfache Steadycams für DSLR: Jetzt wird es ernst. Diese Systeme bestehen aus drei Elementen: eine Kopfplatte für die Kamera, ein Gegengewicht und einer Stange, um den Abstand dazwischen zu halten. Am Schwerpunkt befindet sich ein beweglich gelagerter Griff. Die Kosten sind ebenfalls sehr überschaubar und teils noch im zweistelligen Bereich. Wer Low-Budget-Projekte plant, wird hier definitiv sein helle Freude erleben. Weil die Kamera höher gelagert ist als bei den vorherigen Varianten, sind auch mehr Freiheiten beim Filmen gegeben. Die Stabilisierung selbst ist hier bereits sehr gut. 

„Kleine“ Brustharnisch-Steadycams: Wird das Gesamtgewicht zu schwer, um es in der Hand zu halten, gibt es Schwebestative, die über einen Gelenksarm an einem Brustharnisch befestigt sind. Das gesamte Gewicht wird mit dem Oberkörper getragen. Steadycams dieser Art gibt es in unterschiedlichen Größen und werden in etwas größererer Ausführung auch für TV-Liveübertragungen genutzt. Es besteht die Möglichkeit, diese Modelle mit einem Gimbal zu kombinieren, um noch mehr Einfluss auf die Aufnahmen haben zu können.

Steadycams für Hollywood: Wer mit richtig schweren Kameras arbeitet oder die absolute Freiheit in der Kamerabewegung benötigt und eventuell auch weite Kamerafahrten macht, braucht nicht gleich einen Kran. Diese Steadycams sind meist mit einem Gimbal kombiniert und durch und durch mit Elektronik versehen. Für den Preis eines bis mehrerer Kleinwagen darf man so ein Stück auch sein Eigen nennen.

Welcome to Hollywood! Der Endless 3 Silverarrow von Basson Steady kostet in etwas den Preis eines Kleinwagens. Diese Systeme sind hochgradig modular und können sowohl getragen als auch auf Kamerakräne montiert werden. (c) Basson Steady

Worauf ist bei Steadycams zu achten?

Keine Frage, das Budget und der Verwendungszweck sind die primären Faktoren. Doch sobald das geklärt ist, kommen wieder detailliertere Fragen auf den Käufer zu:

Wie hoch ist die Traglast?

Mit zu schwerem Equipment kann es zu plötzlichem Systemversagen kommen, was besonders die Kamera gefährden kann.

Wie funktioniert die Kalibrierung?

Überhaupt nicht kalibrierbare Produkte sind nicht zu empfehlen. Je feiner die Unterteilung oder stabiler die Fixiermechanik ist, desto hochwertiger ist das Produkt und desto präziser das Arbeiten damit.

Wie sieht es mit der Ergonomie aus?

Wenn man leicht an den schwebenden Elementen ankommt, kann man die Aufnahme schnell verwackeln. Das Gewicht oder bei Brustharnischen auch mögliche Druckstellen sind ebenso zu beachten. Lassen sich die einzelnen Teile flüssig und sauber bewegen? 

Wie gut ist die Verarbeitungsqualität?

Wenn einzelne Elemente sehr filigran oder empfindlich sind, ist zusätzlich auf eine entsprechende Lagerung beziehungsweise Transportsicherung zu achten. Manches lässt sich auch selbst reparieren oder verstärken, um die Qualität des Produkts kostengünstig zu steigern.

Ist das System adaptierbar?

Sehr hilfreich ist es, zusätzliche Lichter oder Mikrofone montieren zu können. Auch weiteres Equipment kann Sinn ergeben, mit angebracht zu werden. Ebenfalls wichtig kann die Frage nach der Kombinierbarkeit mit einem Gimbal sein.

Eine klassische „kleine“ Steadycam mit Brustharnisch für längeren Tragekomfort. Der Steadicam Steadymate-S mit aufgesetzem Gimbal für DSLR-Kameras. (c) Tiffen Steadicam

Gimbal oder Steadycam?

Oder doch gleich beides? Es sind immer dieselben Fragen: Welchen Effekt will ich erzielen? Was ist mein restliches Equipment? Wie hoch ist mein Budget? Diese Fragen kann sich jeder nur selbst beantworten.

Hilfreich ist natürlich, ein Produkt nach Möglichkeit mit dem eigenen oder vergleichbarem Equipment zu testen. Zum einen müssen nicht alle Systeme gleich gut kooperieren und zum anderen ist es doch auch immer eine Ergonomie- und vor allem Sympathiefrage.

Wer seine Actioncam oder sein Smartphone verwendet, ist am besten bei kleinen Gimbals aufgehoben. Wer allerdings mit Foto- oder Video-kameras arbeitet hat die Qual der Wahl. Gimbals haben oft viele Spezialfunktionen, so lässt sich auch die Kamera fernsteuern. 

Wer allerdings mehr Wert auf perfekte Natürlichkeit in seinen Kamerafahrten legt, wird eher bei Steadycams fündig. Ist man viel mit schwerem Geschütz unterwegs, sollte man auf jeden Fall an Brustharnische denken, ein zusätzlicher Gimbal kann hier aber noch einmal das Salz in der Suppe sein.

Garantiert ist jedenfalls, dass für alle Wünsche Lösungsmöglichkeiten existieren. In allen Preisklassen.

Robert Lösch