Wettbewerbe

Sony World Photography Awards 2022: Die Gewinner

(c) Adam Ferguson, Australien, Photographer of the Year, Profiwettbewerb, Kategorie Portrait, Sony World Photography Awards 2022

(c) Adam Ferguson, Australien, Photographer of the Year, Profiwettbewerb, Kategorie Portrait, Sony World Photography Awards 2022

Gleich nach der Bekanntgabe startet die Ausstellung zu den Sony World Photography Award 2022  im Somerset House in London, die von 13. April bis zum 2. Mai 2022 z sehen ist. Dort werden mehr als 300 Fotodrucke sowie Hunderte weiterer, digitalisierter Bilder der prämierten und vorausgewählten Fotografinnen und Fotografen zu sehen sein. Zudem werden auch Arbeiten von Edward Burtynsky präsentiert, der mit dem diesjährigen Preis für herausragende Leistungen für die Fotografie ausgezeichnet wurde.

Wem London zu weit ist, der hat auch Gelegenheit die Bilder vom 21. Oktober 2022 bis 15. Jänner 2023 in Berlin im Willy-Brandt-Haus zu sehen. Überdies werden die Gewinner und Gewinnerinnen im nachfolgenden Video vorgestellt und gewürdigt, das Interviews und Reaktionen der Fotografen umfasst:

Photographer of the Year

„Migrantes“ ist eine Schwarzweiß-Serie mit Selbstporträts von Migrantinnen und Migranten in Mexiko, die darauf warten, die Grenze zu den Vereinigten Staaten zu überqueren. Adam Ferguson bereitete jedes Bild vor, indem er eine Mittelformatkamera auf einem Stativ mit Fernbedienung montierte. Dann zog er sich zurück, um seinen Protagonistinnen und Protagonisten die Möglichkeit zu geben, den Moment der Aufnahme selbst zu bestimmen und so an der Dokumentation ihrer Lebenssituation mitzuwirken.

Im Februar 2021, nach dem Präsidentenwechsel in den USA, strömten Scharen von Migrantinnen und Migranten aus Mittel- und Südamerika an die US-mexikanische Grenze. In den Medien kursierten Bilder von Menschen, die im Blitzlichtgewitter der Fotografen ihre Habseligkeiten schleppten oder sich an Angehörige klammerten. Ferguson wusste die Bedeutung dieser fotojournalistischen Arbeiten zu schätzen, stellte aber zugleich einen bemerkenswerten Mangel an Fotos von der mexikanischen Seite der Grenze fest, insbesondere solchen, die den Migrantinnen und Migranten ein gewisses Maß an Handlungsfreiheit einräumten. 

Vor diesem Hintergrund schlug Ferguson seinem Redakteur bei der New York Times ein eigenes Projekt vor und erhielt den Auftrag, im April und Mai 2021 für elf Tage nach Juarez und Reynosa zu reisen. Bei seiner Herangehensweise an das Vorhaben ließ er sich von Adam Broombergs und Oliver Chanarins Projekt „Ghetto“ inspirieren – einer visuellen Reise durch zwölf moderne Ghettos, darunter dem psychiatrischen Krankenhaus Rene Vallejo in Kuba, in dem das ehemalige Künstlerduo den Patientinnen und Patienten den Auslöser in die Hand gab.

Begleitet von den mexikanischen Journalisten Ernesto Rodríguez, Silvia Cruz, Noe Gea Medina und Laura Monica Cruz Flores, sprach Ferguson Migrantinnen und Migranten in grenznahen Unterkünften an, zeichnete ihre oftmals erschütternden Geschichten auf und machte sich gemeinsam mit ihnen daran, ihr jeweiliges Bild in einer entspannten Atmosphäre zu inszenieren und aufzunehmen, in der sie sich weniger befangen fühlen würden. Ferguson entschied sich für einen Schwarzweißfilm, um das Gewirr an Hintergrundfarben auszulöschen und das Bild auf seinen emotionalen Wert zu reduzieren. So entstand eine Serie, die ein ergreifendes Porträt von Menschen zeichnet, für die auf der Suche nach einem besseren Leben die Zeit stehengeblieben ist. 

Mike Trow, Jury-Vorsitzender für den Profi-Wettbewerb 2022, sagte zu Fergusons preisgekröntem Projekt: „Was Adam Ferguson an der Grenze zwischen den USA und Mexiko mit Migranten und Migrantenfamilien realisiert hat, ist zutiefst einfühlsam und bewegend. Diese Porträts zeigen eindrucksvoll, wie ein moralisches Anliegen und Respekt dazu beitragen können, Manipulationen und Verletzungen der Privatsphäre zu vermeiden, wie sie der Fotografie oft vorgeworfen werden. Adam Ferguson hat den Porträtierten den Auslöser in die Hand gegeben – und damit die Entscheidung darüber, wie sie wahrgenommen werden möchten. Diese Fotografien sind schön, bedeutsam und menschlich. Es gab noch andere Projekte, die uns Juroren stark beeindruckt haben, doch Fergusons Serie stach heraus, weil sie so beredt und warmherzig von Menschen erzählt, die es schwer haben und die sich trotzdem ihre Würde und Liebe bewahren – unabhängig davon, wo sie sich befinden und wie begütert sie sind.“

Adam Ferguson war es bei der Fotoserie sehr wichtig in „Zusammenarbeit mit den Migrantinnen und Migranten Bilder zu erzielen, die eher Empathie als Sympathie wecken.“ Das gelang, so hoffte Ferguson,“Indem ich die Herrschaft über die Aufnahme abgab und jedem Migranten ermöglichte, den Bildfindungsprozess selbst mitzubestimmen, [um so] das Narrativ von der Ausgrenzung zu unterlaufen und eine Geschichte zu erzählen, die menschlicher, nachvollziehbarer und ehrlicher ist.“ Er bedanke sich bei mutigen und zähen Menschen, die bereit waren mit ihm zu arbeiten, und in deren Namen er den Preis auch entgegennehme. Dank des Photographer-of-the-Year-Award lerne diese Dokumentation und die Geschichten dieser Menschen jetzt auch ein neues Publikumkennen, so Ferguson abschließend.

Gemeinsam mit dem Titel „Photographer of the Year“ erhält Adam Ferguson das damit verbundene Preisgeld von 25.000 US-Dollar und eine digitale Fotoausrüstung von Sony.

Die Sieger und Siegerinnen in den Profi-Kategorien

Die Sieger im Profi-Wettbewerb wurden von einer Fachjury für ihre herausragenden, fünf bis zehn Bilder umfassenden Serien ausgezeichnet. Das Spektrum reichte dabei von Dokumentationen zu politischen Krisen und Klimathemen über persönliche Betrachtungen zu Familie und Verlust bis hin zu kreativen Stillleben und Naturaufnahmen.

Alle Kategoriesieger erhalten eine digitale Fotoausrüstung von Sony. Die diesjährigen Gewinner sind:

Architektur & Design

Gewinner: Domagoj Burilović (Kroatien) für seine Serie Dorf
Finalisten: 2. Platz Javier Arcenillas (Spanien); 3. Platz Yun Chi Chen (Taiwan)

Kreativ

Gewinner: Alnis Stakle (Lettland) für seine Serie Mellow Apocalypse (Sanfte Apokalypse) 
Finalist/-innen: 2. Platz Raphael Neal (UK); 3. Platz Sarah Grethe (Deutschland)

Dokumentarische Projekte

Gewinner: Jan Grarup (Dänemark) für seine Serie The Children of the Financial Collapse in Venezuela (Die Kinder des Finanzkollapses in Venezuela)
Finalisten: 2. Platz Fabian Ritter (Deutschland); 3. Platz Win McNamee (USA)

Umwelt

Gewinner: Shunta Kimura (Japan) für seine Serie Living in the Transition (Leben im Umbruch) 
Finalisten: 2. Platz Gideon Mendel (Südafrika); 3. Platz Giacomo d’Orlando (Italien)

Landschaft

Gewinner: Lorenzo Poli (Italien) für seine Serie Life on Earth (Leben auf der Erde) 
Finalisten: 2. Platz Andrius Repšys (Litauen); 3. Platz Gareth Iwan Jones (UK)

Portfolio

Gewinner: Hugh Fox (UK) für seinen Beitrag Portfolio  
Finalist/-innen: 2. Platz Julian Anderson (UK); 3. Platz Anna Neubauer (Österreich)

Porträt

Gewinner: Adam Ferguson (Australien) für seine Serie Migrantes  
Finalisten: 2. Platz George Tatakis (Griechenland); 3. Platz Brent Stirton (Südafrika)

Sport

Gewinner: Ricardo Teles (Brasilien) für seine Serie Kuarup
Finalisten: 2. Platz Adam Petty (Australien); 3. Platz Roman Vondrouš (Tschechische Republik)

Stillleben

Gewinner: Haruna Ogata (Japan) & Jean-Etienne Portail (Frankreich) für ihre Serie Constellation (Konstellation)
Finalisten: 2. Platz Cletus Nelson Nwadike (Schweden); 3. Platz Alessandro Gandolfi (Italien)

Natur und wilde Tiere

Gewinner: Milan Radisics (Ungarn) für seine Serie The Fox’s Tale (Die Geschichte des Fuchses)
Finalisten: 2. Platz Federico Borella (Italien); 3. Platz Oana Baković (Rumänien)

Open Photographer of the Year

Der offene Wettbewerb zeigt die Macht starker Einzelbilder. Die prämierten Arbeiten zeichnen sich durch eine bemerkenswerte visuelle Erzählweise aus, die mit großem technischem Können einhergeht. Aus den zehn Siegern in den offenen Kategorien wurde Scott Wilson (UK) zum „Open Photographer of the Year 2022“ gekürt. Er erhält ein Preisgeld in Höhe von 5.000 US-Dollar sowie eine digitale Fotoausrüstung von Sony. 

Wilson erhält den Titel für sein eindrucksvolles Bild „Anger Management“ (Aggressionsbewältigung), das er in der Kategorie Natur und wilde Tiere eingereicht hatte. Das Schwarzweißfoto, aufgenommen im Nordwesten Colorados, zeigt einen wilden, schmutzbedeckten Mustang, der eine Staubwolke aufwirbelt. Das Bild entstand, kurz nachdem der Hengst in ein Schlammloch gesprungen war – um sich vor sommerlichen Insekten zu schützen – und als er gerade auf den Boden stampfte, um Konkurrenten wissen zu lassen, dass er bereit war, um seinen Platz an einer nahegelegenen Wasserstelle zu kämpfen.

Scott Wilson (UK) ist „Open Photographer of the Year“. Sein Bild stammt aus der Open-Competition-Kategorie Natural World & Wildlife. (c) Scott Wilson, United Kingdom, Open Photographer of the Year, Open competition, Natural World & Wildlife, Sony World Photography Awards 2022

Scott Wilson zu seinem Sieg: „Es ist eine große Ehre für mich, mit „Anger Management“ bei den Sony World Photography Awards 2022 den Titel Open Photographer of the Year gewonnen zu haben. Das Verhalten von Mustangs in freier Wildbahn zu beobachten bedeutet, Natur in all ihrer Ursprünglichkeit und Wildheit zu erleben. Die Spannung, die das Bild vermittelt, steht symbolisch für die Bedrohungen, denen Wildpferde im amerikanischen Westen ausgesetzt sind, wo diese wunderbaren Tiere in Rekordzahlen zusammengetrieben und eingefangen werden. Ende 2022 wird es mehr Wildpferde in Gefangenschaft geben als solche, die in freier Natur leben.“

Student Photographer of the Year

Ezra Böhm (Niederlande) von der „Nederlandse Academie voor Beeldcreatie“ wurde zum „Student Photographer of the Year 2022“ gekürt und gewinnt eine Fotoausrüstung von Sony im Wert von 30.000 Euro für seine Akademie. Böhm wird für seine Serie „The Identity of Holland“ (Die Identität Hollands) ausgezeichnet, die er zu der Themenstellung „Connections“ (Verbindungen) angefertigt hatte. Die Studentinnen und Studenten sollten in ihren Arbeiten zeigen, wie sie selbst oder andere mit der Welt interagieren. Für die Serie, die ihm den Sieg einbrachte, hatte Böhm die Mitglieder eng verwobener Gemeinschaften in den Niederlanden fotografiert, die eine traditionelle Lebensweise beibehalten haben. Dabei stellte er ihre außerordentlich detailreichen Trachten und ihre Beziehung zur niederländischen Kulturgeschichte in den Mittelpunkt.

(c) Ezra Bohm, Niederlande, Student Photographer of the Year, Student competition, Connections, 2022 Sony World Photography Awards

Zu seinem Sieg sagte Böhm: „Ich sehe diesen Preis als Bestätigung dafür, wie wichtig es ist, das Unerwartete zu fotografieren und Geschichten zu erzählen, die vom Herzen kommen. Wenn man seinen Ambitionen folgt, gewinnt alles, was man tut, an Bedeutung und vermutlich auch an Erfolg.“

Youth Photographer of the Year

Tri Nguyen (Vietnam, 18 Jahre) wurde mit seiner Arbeit „Under The Moonlight“ aus sechs Kategoriesieger/n ausgewählt und zum „Youth Photographer of the Year 2022“ gekürt. Das Foto zeigt einen jungen Mann in einer schäbigen Kulisse, der sich von künstlichem Mondlicht bescheinen lässt. Das Licht steht symbolisch dafür, im Rampenlicht zu stehen, und versinnbildlicht die Sehnsucht des jungen Manns, seine Schwächen zu akzeptieren. Das Bild gehört zu einer Serie, in der es um Selbstreflexion geht und um den Wunsch, aus Mustern auszubrechen und die eigenen Unvollkommenheiten selbstbewusst anzunehmen.

(c) Tri Nguyen, Vietnam, Youth Photographer of the Year, Jugendwettbewerb, 2022 Youth competition – Portrait, 2022 Sony World Photography Awards

Tri Nguyen gewinnt eine digitale Fotoausrüstung von Sony.

Herausragende Leistungen für die Fotografie

Der diesjährige Preis für herausragende Leistungen für die Fotografie ging an den renommierten kanadischen Fotografen Edward Burtynsky. Burtynsky gilt als einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Fotografen weltweit und ist vor allem für seine großformatigen Bilder von Industrielandschaften und der Umweltkrise im Allgemeinen bekannt. In eindrucksvollen Darstellungen riesiger, vom Menschen veränderter Landschaften zeigt Burtynsky das ungeheure Ausmaß der Infrastrukturen und legt die Zerstörungen offen, die der Kapitalismus und Konsum immer weiter vorantreiben. Ansichten vernarbter Gebirgsketten, ausgetrockneter Gewässer und ausufernder Städte werden zu malerischen Abstraktionen aus Farben und Formen verdichtet.

Bei der Ausstellung zu den Sony World Photography Awards 2022 werden mehr als ein Dutzend dieser großformatigen Fotografien zu sehen sein. Die Auswahl wurde vom Fotografen selbst getroffen und wirft ein Schlaglicht auf wichtige Werkgruppen aus seiner vierzigjährigen Karriere, darunter „Anthropocene“ (2018), „Salt Pans“ (2016), „Water“ (2013), „Oil“ (2009) und „Railcuts“ (1985). Darüber hinaus werden – erstmals in Großbritannien – Bilder aus Burtynskys kommender Serie „Africa“ (2022) präsentiert, die sowohl die natürliche afrikanische Landschaft als auch Gebiete zeigen, die durch den Abbau von Ressourcen verändert wurden.

Ausstellung zu den Sony World Photography Awards 2022 

Die Ausstellung zu den Sony World Photography Awards 2022 findet wie erwähnt vom 13. April bis 2. Mai 2022 im Somerset House in London statt. Neben den Arbeiten der diesjährigen Gesamtsieger und Kategoriegewinner umfasst sie auch Solo-Schauen von Pablo Albarenga (Uruguay), Photographer of the Year 2020, und Craig Easton (UK), Photographer of the Year 2021. 

Pablo Albarenga zeigt eine Auswahl von Fotos aus seiner preisgekrönten Serie „Seeds of Resistance“ (Samen des Widerstands), in der er Bilder von Landschaften und Regionen, die durch den Bergbau und die Agrarindustrie gefährdet sind, mit Porträts von Aktivisten kombiniert, die für deren Erhalt kämpfen. Außerdem präsentiert Greg Easton ein Dutzend Schwarzweißportraits aus seiner Serie „Bank Top“, die den Bewohnern des Stadtviertels Bank Top in Blackburn gewidmet ist. Das Projekt untersucht die Darstellungen und Fehldarstellungen lokaler Gemeinschaften in Nordengland und beleuchtet die Geschichten und Erfahrungen der Einwohner in Fotos sowie begleitenden Texten des Autors und Dozenten Abdul Aziz Hafiz, der an dem Projekt mitgewirkt hat. 

Die virtuelle Ausstellung zu den Sony World Photography Awards 2022 ist hier zu sehen: www.worldphoto.org/virtualexhibition2022