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„Die Scham“ von Annie Ernaux in der Dunkelkammer des Volkstheater in Wien

Szene aus "Die Scham": Rechts Friederike Tiefenbacher und in der Mitte stehend Franzi Kreis. (c) Lukas Beck

Szene aus "Die Scham": Rechts Friederike Tiefenbacher und in der Mitte stehend Franzi Kreis. (c) Lukas Beck

Die Theaterfassung von Annie Ernauxs Text „Die Scham“ wird in der „Dunkelkammer“ des Volkstheaters aufgeführt. Diese kleine Spielstätte, so die Website des Volkstheater, „versteht sich als Labor, als Ort um freudvoll und angstfrei neue Texte und Formate ausprobieren zu können.“ In der Inszenierung von Hauswirth verwandelt sich die Dunkelkammer in eine wirkliche Dunkelkammer, in der während des Stücks die Fotografin Franzi Kreis in einer Fotolabor-Installation live sieben großformatige Portraits von einem zehnjährigen Mädchen mit Chemie und Papier vergrößert. „Die Fotografien sind Frankreich in den 1950er Jahren nachempfunden“, erklärt Franzi Kreis. Neben dem nachempfundenen Stil der 1950er Jahren (die Scham bezieht sich auf jene Zeit) beschäftigen sich auch die Fotos mit dem Thema des Stücks – „der Kraft der Erinnerung, die Macht der Blicke, und die Bilder unseres Lebens“ (Website des Volkstheaters). Dazu Franzi Kreis: „In den vergrößerten Bildern, die ich mit viel Flüssigkeit und einem Pinsel anfertige, geht es unter anderem um die Vergänglichkeit und Momenthaftigkeit von Erinnerungen.“ 

Szene aus "Die Scham". Links Friederike Tiefenbacher, rechts Franzi Kreis. (c) Lukas Beck
Szene aus „Die Scham“. Links Friederike Tiefenbacher, rechts Franzi Kreis. (c) Lukas Beck

Übrigens: Die Fotografien, die im Zuge der Vorstellungen entstehen, werden vom 26. Jänner bis 18. Februar 2023 in der Wiener Galerie Lukas Feichtner (Seilerstätte 19, 1010 Wien) zu sehen sein. 

Ein von Franzi Kreis im Zuge der Ausstellung vergrößertes Bild. (c) Franzi Kreis

Das Stück läuft bereits seit 29. Oktober 2022 sehr erfolgreich und ist fast immer ausverkauft. So gibt es auch für die drei Vorstellungen im Jänner keine Karten mehr. Für die Vorstellungen am 8., 12. und 19. Februar sind noch Karten zu haben.

Der Inhalt

In „Die Scham“ rekonstruiert Annie Ernaux einen Vorfall aus ihrer Kindheit. Das Volkstheater kündigt das Stück wie folgt an: 

„An einem Junisonntag im Jahr 1952 bedroht der Vater nach einem Streit am Mittagstisch plötzlich die Mutter mit einem Beil. Vierzig Jahre später nimmt Ernaux dieses traumatische Ereignis zum Anlass, ihre eigene Biografie zu rekonstruieren. Sie sichtet damalige Lokalzeitungen, beschreibt Fotos ihrer Jugend, befragt ihr eigenes Gedächtnis und beginnt so eine ‚Ethnologie ihrer selbst‘: Ihre Herkunft als Tochter einfacher Leute, ihre Kindheit und Jugend in der nordfranzösischen Provinz, die strenge katholische Mädchenschule und dagegen das ländliche, simple Milieu ihrer Eltern. Die Diskrepanz zwischen den alten Verhältnissen und dem drängenden Wunsch nach sozialem Aufstieg. Die Scham, die Verleugnung, die Verdrängung. Und als zentraler Auslöser des Rekonstruktionsprozesses dieser eine Moment der Gewalt, in dem das Leben eine neue Wendung erfährt und nichts mehr so ist wie zuvor. 
Mit nüchterner, glasklarer Sprache und einem unermesslich scharfen Erinnerungsvermögen seziert Annie Ernaux ihr schwieriges Verhältnis zur eigenen Herkunft und das unauslöschliche Schamgefühl über ihre soziale Prägung. Ein Text voller Mut und Präzision – und gleichzeitig stets die Zweifel thematisierend, inwieweit ein Text überhaupt Zeugnis ablegen kann. Ernaux‘ Arbeiten gelten längst zu den stilbildenden Werken der gegenwärtigen Literatur, inspirierten Autoren wie Didier Eribon oder Edouard Louis, offenbaren trotz hochpersönlichem Inhalt immer auch universelle Wahrheiten.“ 

Die Besetzung

Friederike Tiefenbacher
Live-Foto Installation: Franzi Kreis
Mädchen: Alva Kerlin

Regie und Bühne: Ed. Hauswirth

Fotografie und Fotolabor: Franzi Kreis

Kostüm: Mona Ulrich

Musik und Sounddesign: Florian Kmet

Dramaturgie: Matthias Seier

Karten können auf der Website des Volkstheater gekauft werden.