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Kunst Haus Wien: Street Photography aus sieben Jahrzehnten

Ausstellungsansicht "Street. Life. Photography"

Ausstellungsansicht "Street. Life. Photography" (c) eSeLat Foto: Lorenz Seidler

Street Life, Crashes, Public Transfer, Anonymity und Alienation: In diesen fünf kaleidoskopartigangelegten Kapiteln behandelt die Ausstellung „Street. Life. Photography“ die zentralen Themenfelder der Street Photography und zieht die Besucher in unterschiedliche, teils surreal erscheinende Bildwelten. Die analoge tritt neben die digitale Fotografie, die Kleinbildkamera neben die Großbildkamera, Schwarzweißfotografie trifft auf Farbfotografie.

Internationale Klassiker der Street Photography werden mit jungen, zeitgenössischen internationalen Künstlern wie Mohamed Bourouissa, Harri Pälviranta oder österreichischen Künstlern wie Alex Dietrich und Lies Maculan in Verbindung gebracht – und eröffnen einen neuen Blick auf unterschiedliche Facetten der Stadt einst und jetzt. Street. Life. Photography zeigt die anhaltende Faszination, die dieses Thema auf die Fotografie des 20. und 21. Jahrhunderts ausgeübt und dabei ein eigenes Genrehervorgebracht hat.

Street. Life. Photography. Street Photography aus sieben Jahrzehnten“ ist eine Ausstellung desHauses der Photographie/Deichtorhallen Hamburg u.a. mit Werken aus der Sammlung F.C. Gundlach, Hamburg, in Zusammenarbeit mit dem KUNST HAUS WIEN. Die Schau wurde von Sabine Schnakenberg (Deichtorhallen Hamburg) kuratiert und in Kooperation mit Verena Kaspar-Eisert (KUNST HAUS WIEN) für die Präsentation in Wien adaptiert.

Die Themengruppen

Street Life

Maciej Dakowicz, Ohne Titel, 2006. Aus der Serie Cardiff After Dark, 2005-2011 © Maciej Dakowicz

Hier wird die Straße zur Bühne: Flüchtige und zufällige Begegnungen, Momentaufnahmen und ungewöhnliche Perspektiven rücken in den Mittelpunkt der fotografischen Inszenierung, die eine Vielzahl von Eindrücken bündelt oder einzelne Momente festhält. Als besonders faszinierend erweisen sich dabei die ganz unterschiedlichen Herangehensweisen der Fotografinnen und Fotografen: Diane Arbus, Lisette Model, Erich Lessing, Melanie Einzig, Candida Höfer und Maciej Dakowicz, aber auch Philip-Lorca diCorcia und Peter Funch behalten einen gewissen Abstand zu den fotografierten Szenen bei, aus dem heraus sie die Passantinnen und Passanten sorgfältig beobachten. Andere Fotografen wie etwa William Klein, Bruce Gilden und Dougie Wallace verfolgen einen impulsiven, oft sehr spontanen Ansatz und liefern sich dabei ganz dem „Ballett der Straße“ aus.

Crashes

Erich Lessing, Leben im Wiener Prater, 1954 © Erich Lessing, Courtesy Österreichische Nationalbibliothek, Inventar-Nr Pk 4583, 97
Mirko Martin, Ohne Titel, 2006-2011. Aus der Serie L.A. Crash 2006-2011 © Mirko Martin

Das englische „Crash“ bedeutet „Unfall“, „Absturz“, „Krach“, „Aufprall“, „Zusammenstoß“ oder „Zusammenbruch“. In den Werken von Arnold Odermatt, Andrew Savulich, Mohamed Bourouissa, Jesse Marlow, Axel Schön und Lies Maculan unterbrechen Irritationen und Störungen abrupt oder auch schleichend die Sicht auf das Dargestellte. Alex Dietrich konfrontiert mit sich nicht erfüllenden Erwartungen. Neben Aspekten offensichtlicher Gewalt und Zerstörung – wie bei Erich Lessing – sind es dabei leise zeitliche Diskrepanzen, die etwa bei Harri Pälviranta aufeinandertreffen zu scheinen und die Orientierung hinsichtlich des zeitlichen Gefüges ins Wanken bringen. Die Straße wird zur Kulisse für reale oder –wie bei Mirko Martin – inszenierte Unfälle, Gewaltakte, Konflikte und gesellschaftliche Veränderungen.

Public Transfer

Michael Wolf, Tokyo Compression #39, aus der Serie Tokyo Compression 2010–2012 © Michael Wolf, Courtesy Christophe Guye Galerie

Hier wird der innerstädtische Verkehrs thematisiert: Neben dem Auto ist es in erster Linie der öffentliche Nahverkehr mit Bussen und Bahnen und komplex ausgedehnte U- und S-Bahn-Systeme, die von Millionen von Menschen rund um die Uhr genutzt werden. Das kuriose Nebeneinander privater und öffentlicher Sphäre eröffnet einen äußerst interessanten wie spannungsreichen Grenzbereich menschlichen Verhaltens, dem sich Andrew Buurman, Wolfgang Tillmans, Loredana Nemes, Dougie Wallace, Michael Wolf, Natan Dvir und Rudi Meisel angenommen haben.

Anonymity

Leon Levinstein, New Orleans, 1976 © Leon Lecinstein, Courtesy Howard Greenberg Gallery, New York City. Haus der Photographie / Sammlung F.C. Gundlach, Hamburg

Ein wesentlicher Kritikpunkt am Leben in der Großstadt ist der befürchtete Verlust sozialer Nähe und das daran gekoppelte Abdriften in die Anonymität. Dies trifft nicht nur allein auf die fotografierten Passantinnen und Passanten, sondern genauso auch auf die Fotografinnen und Fotografen selbst zu, die ihrerseits anonym bleiben. Die fotografische Auseinandersetzung mit der Anonymität der anderen kann dabei möglicherweise auch Tendenzen einschließen, die Grenzen eigener Anonymität auszuloten, zu begreifen und darzustellen. Unter unterschiedlichen gestalterischen und inhaltlichen Ansätzen erkunden die Arbeiten von Merry Alpern, Yasmine Chatila, Leon Levinstein, aber auch Harry Callahan, Siegfried Hansen und Stephen Shore das Phänomen der Anonymität innerhalb des urbanen Gefüges.

Stephen Shore, Beverly Boulevard and La Brea Avenue, Los Angeles, California, June 21, 1975 © Stephen Shore, Courtesy 303 Gallery, New York und Sprüth Magers, Berlin, London, Los Angeles. Haus der Photographie / Sammlung F.C. Gundlach, Hamburg

Alienation

Philip-Lorca diCorcia: Marilyn, 28 Years Old, Las Vegas, Nevada, 30 $, 1990–1992. Chromogenic Color Print. © Philip-Lorca diCorcia / Courtesy Sprüth Magers and 303 Gallery, Haus der Photographie / Sammlung F.C. Gundlach, Hamburg
Natan Dvir, Juicy Couture 01, 2008, aus der Serie: Coming Soon, 2008-2014 © Natan Dvir

„Alienation“ geht auf das lateinische „alienatio“ zurück, was Verfremdung, aber auch Distanzierung bedeuten kann. In diesem Kapitel bezieht sich der Begriff auf den Einsatz gestalterischer Mittel, die sich durch ihre Abweichung vom Erwarteten und Gewohnten charakterisieren lassen. Darüber hinaus bezieht er sich aber auch auf die Bildinhalte selbst, die einen verfremdenden Effekt in sich tragen können. So integriert Lee Friedlander konsequent seinen eigenen Schatten in seine Arbeiten und wird damit Teil seines Bildes – er ist gleichzeitig anwesend, aber auch abwesend. Thematisieren die Arbeiten von Philip-Lorca diCorcia Aspekte der Selbstentfremdung seiner Passantinnen und Passanten, nimmt der aus der Schweiz stammende Robert Frank seine amerikanische Wahlheimat aus einem speziellen Blickwinkel wahr. Die vom Monitor abfotografierten Arbeiten von Doug Rickard, die durch starkes Blitzlicht isolierten Passantinnen und Passanten Martin Parrs und die Gruppenaufnahmen von Melanie Manchot spielen ebenso wie die Arbeiten von Natan Dvir und Slinkachu ganz bewusst mit weiteren gestalterischen Möglichkeiten der Verfremdung.

Die Ausstellung „Street. Life. Photography. Street Photography aus sieben Jahrzehnten“ ist vom 11.9.2019 bis zum 16.2.2020 im Kunst Haus Wien zu sehen. Öffnungszeiten: täglich von 10 – 18 Uhr.

Am 11.9. um 18 Uhr gibt es eine Spezialführung mit Kuratorin Sabine Schnakenberg und Fotografinnen und Fotografen der Ausstellung. Diese kann mit einem gültigem Eintrittsticket besucht werden, es ist keine Anmeldung erforderlich.

Eine Kuratorinnenführung mit Verena Kaspar-Eisert findet am Do, 17.10.19 um 18 Uhr und am Do, 23.01.2020 um 17 Uhr statt. Auch diese ist kostenlos und kann mit gültigem Eintrittsticket besucht werden. Es ist keine Anmeldung erforderlich.

Am 23.2.2020 um 18 Uhr hält Christoph Schaden einen Vortrag zum Thema „Bühnen des Realen. Momente des Theatralen in der Street Photography“. Der Eintritt ist frei.

„Street. Photography. Workshops“ mit Kay von Aspern:

  • Sa, 21.09.19, 10:00-16:00
  • Sa, 23.11.19, 10:00-16:00
  • Sa, 25.01.20, 10:00-16:00

Teilnahmegebühr: 95 Euro. Infos und Anmeldung: workshop@kunsthauswien.com.